Muss ich denn eigentlich super gelenkig sein, um Yoga praktizieren zu können?

Genau das frage ich mich schon seit einiger Zeit. In den Medien sieht man die wunderbarsten Menschen, extrem biegsam, extrem schlank, extrem hübsch noch dazu. Und eben diese präsentieren die wildesten Asanas. Überall sieht man Bilder von Ihnen, Yoga praktizierend, einfach sieht aus. Unfassbar einfach. Sie sind so gelenkig, biegsam wie sind Lakritzschnecke, kräftig als würden sie jeden Tag an einer Hantelbank trainieren, obwohl sie natürlich so aussehen als täten sie genau das NICHT.
Ja, ich nehme es auch leicht, einige Asanas kann ich gut praktizieren und das mit einer Leichtigkeit im Geist. So soll es ja auch sein. Ich praktiziere (eigentlich)jeden Tag, ja ich fühle mich viel gelenkiger als noch vor 10 oder 15 Jahren, als ich mit Yoga begann. ABER ich fühle mich auch jeden Tag auf`s Neue so, als würde ich die ein oder andere Asana das allererste Mal im Leben einnehmen. Es ist schwer, es bedeutet Arbeit und einen extrem langen Atem.

 

Gelenkigkeit

 

UNGLAUBLICH finde ich das! Warum sieht es bei allen so leicht aus? Wann merke ich endlich, das sich etwas verändert? Wienlange soll ich an einer Asana üben und üben und üben, ohne das sich etwas verändert? Ganz klar, LANGE…( manchmal vom Gefühl her viel zu lange, es heißt nun:lasse los. Dann kommt es irgendwann von ganz allein)
Natürlich ist mir bewusst, das hier eigentlich nur mein Ego eine Rolle spielt, denn es steht vollkommen außer Frage das es  doch vollkommen egal ist, wie ich in einer Asana aussehe, wie tief ich hineinkomme, wichtig ist ja wie es sich anfühlt und ob ich mich innerlich ruhig in meinem Geist dabei fühle.
Aber ich komme nicht umhin, mich zu fragen, wie sich jemand fühlen muss, der gerade mit Yoga beginnen will, der sich mit der Philosophie die dahinter steckt noch nicht auseinander gesetzt hat fühlen muss, wie fühlst Du Dich , wenn Du diese gesamten wundervollen Fotos siehst und dann an Dir runter schaust und eine schlichte Vorbeuge schon sieht bei dir komplett anders aus? Du kommst nicht wie ein Klappmesser mit dem Oberkörper auf deine Beine, nicht mal mit den Händen zu den Füßen? Ich sage Dir, das ist vollkommen ok!
Aus meiner Sicht ist es ganz eindeutig, wenn ich mit Yoga beginne und nicht so gelenkig bin wie als kleines Kind, dann dauert der Prozess des wieder gelenkig werden eine Weile und manchmal dauert er sogar eine ganz schön lange Weile. Du gehst zum Yoga, merkst, das Du nicht mehr dieser Vorbeuge mit den Händen zu den Füssen kommst und denkst Dir vielleicht: Puh, das kann ich NIE wieder. Das ist ja total krass, was ist nur mit meinem Körper los? Warum können das ALLE anderen und ICH nicht?!
Dann nach Deiner ersten Yogastunde merkst Du, es hat eigentlich ganz gut getan, sich zu bewegen, sich zu dehnen und wieder zu spüren. Aber mit den Händen an die Füße kommst du natürlich immer noch nicht. Es vergeht eine Weile in der Du immer denkst: Ich muss mal wieder zum Yoga, es hat gut getan. Aber leider hast Du zu viel zu tun, zu viel Arbeit, zu viel Stress, zu viele Aktivitäten die Du eh schon lange auf die lange Bahn geschoben hast mit der Familie oder mit Freuden. Das alles will ja schiesslich auch getan werden. Nach einiger Zeit dann schaffst Du es endlich wieder zum  Yoga, es fühlt sich wieder gut an und Du kommst ein wenig in eine Routine, Du beginnst eventuell alle 2 Wochen in einen Kurs zu gehen, dann 1 Mal pro Woche und machst das mit viel Glück sogar einige Jahre.
Aber dann passiert etwas, Du veränderst etwas in Deinem Leben, ein neuer Job, eine Schwangerschaft, ein neuer Partner oder was auch immer bringen Dich tatsächlich wieder davon ab zum Yoga zu gehen. MIST. Denn eigentlich tat es ja ganz gut. Du fühltest Dich zwar noch nicht wieder so gelenkig wie ein junger Hüpfer, aber immerhin schon um einiges gelenkiger als früher. Dein Leben plätschert weiter so vor Dich hin, Du erlebst viel, tust viel und arbeitest viel, irgendwann holt es Dich wieder ein. Oftmals ist das der Fall wenn Du körperlich merkst, Du musst dringend was tun. Ein Bandscheibenvorfall oder Knieprobleme halten Dich von anderen Sportarten fern und Du denkst: Ach ja, Yoga tat früher doch ganz gut, eventuell geht das ja jetzt auch. Es verstreichen aber noch einige Wochen, denn die richtige Yogaschule ist nicht wirklich in der Nähe, Du kennst dort niemanden und fühlst Dich nicht gelenkig genug um mit den Yoginis dort mithalten zu können.

Ahhhh….. ist das nicht total schräg. Du willst gelenkiger werden, gehst aber nicht hin, weil Du Dich nicht gelenkig genug fühlst.

So oder so ähnlich geht es so vielen Menschen und das finde ich total schade. Es kann doch nicht sein, das ich

  • mich erst körperlich eingeschränkt fühlen muss um mir selber etwas Gutes tun zu wollen
  • mich durch meine eigenen Gedanken einschränken lasse, obwohl ich weiss, das es mir gut tun würde
  • mich selber so unter Druck fühle um mit den anderen mithalten zu können, obwohl diejenigen vielleicht einfach viel mehr Zeit hatten sich bereits mit den wildesten Asanas auseinanderzusetzen oder vielleicht ganz andere Baustellen in ihrem Leben haben von denen ich einfach nichts weiss. Da kann das hübscheste Foto mit der akrobatischsten Asana auch nicht helfen, jeder Mensch hat eine Baustelle in seinem Leben, die nur derjenige ganz alleine bewältigen kann.
  • mich nicht traue zum Yoga zu gehen, nur weil ich mich nicht gelenkig genug fühle, obwohl ich eigentlich gelenkiger sein möchte

Meiner Erfahrung nach ist es wirklich am besten, es einfach einmal zu probieren. Geh zum Yoga, such Dir einen Lehrer, einen Yoga Stil der zu Dir passt und teste es einfach. Auch wenn Du dann merkst es war nicht der richtige Weg, dann teste eine andere Schule. Du bist Deinem Lehrer gegenüber ja nicht verpflichtet ab jetzt nur noch in seine Stunden zu gehen. Geh in eine andere Schule, probiere  Dich aus. und variiere. Es kann durchaus sein, das Du an einem Tag gern umgeben bist von Menschen die aussehen als würden sie seit Jahren nichts anderes machen als Yoga zu praktizieren und dort mit ihren dynamische Klassen absolvierst. Es kann aber auch sein, das Du an manchen Tagen merkst, das genau dafür Dir die Energie fehlt, dann geh in eine ruhige Klasse mit Gleichgesinnten. Und glaube mir, es ist vollkommen unwichtig wie tief Dein Mattennachbar in eine Asana hineinsinken kann oder eben nicht. Es ist vollkommen gleich, wenn Du schon nach dem ersten Sonnengruss in der Kindsposition liegst und Dein Mattennachbar aussieht als würde er niemals im Leben ins Schwitzen kommen. Es ist vollkommen gleich, wie gelenkig Du bist wenn Du mit Yoga startest oder wie gelenkig Du Dich fühlst, auch wenn Du schon seit Jahren praktizierst. Denn auch nach jahrelanger Yogapraxis kann es sein das Dein Körper sich trotzdem morgens steif und unnachgiebig sich anfühlt  oder Dir die ein oder andere Asana schwer fällt. Trotzdem oder auch gerade deshalb ist es wichtig Yoga zu praktizieren. Denn auch wenn es sich anfühlt als würde sich nichts verändern so verändert Yoga doch unglaublich viel. Körperlich, seelisch, geistig. Yoga hilft Dir dabei, ganz bei Dir selber zu bleiben, es hilft Dir dabei gelenkiger zu werden (glaube mir, es tut sich was. Manchmal langsam, aber es tut sich was), es hilft Dir dabei, stärker zu werden, kräftiger und beweglicher. Yoga ist in jedem Fall gut und daher bitte ich Dich, lass Dich nicht von Deinem eigenen Geist austricksen, sondern trickse Du ihn aus. Geniesse das Gefühl das sich in Deinem Körper etwas verändert und schätze Deinen Körper, ganz gleich ob Du zu den Menschen gehörst, denen es leicht fällt oder eben nicht.

Und ganz nebenbei gesagt, auch wenn ich so viel und so oft praktiziere so bin ich auch nicht die Schlankeste, so bin ich auch nicht die Gelenkigste obwohl ich als Kind einen FlicFlac nach dem anderen auf dem Schwebebalken turnte, so bin ich auch nicht die Kräftigste, obwohl ich mich auch oft an diese Muskelaufbauenden Geräte im Fitness Studio setze. Trotzdem geniesse ich Yoga so oft es eben geht und atme mich durch die Asanas und das ist alles was zählt.
Also, raus mit Euch, geniesst Eure Yoga Stunden und sagt mir Eure Meinung.
Namastè Eure Sunita

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