Warum üben wir überhaupt Asanas im Yoga
Warum üben wir im Yoga überhaupt Asanas?
Ein Artikel von Frederike Joanna Barow
Chapter 1 Verse 17
Asana
अथ आसनम्
हठस्य प्रथमाङ्गत्वाद् आसनं पूर्वम् उच्यते ।
कुर्यात् तद् आसनं स्थैर्यम् आरोग्यं चाङ्गलाघवम् ॥17॥
atha āsanam
haṭhasya prathamāṅgatvād āsanaṁ pūrvam ucyate |
kuryāt tad āsanaṁ sthairyam ārogyaṁ cāṅga-lāghavam ||17||
Prior to everything, asana is spoken of as the first part of hatha yoga. Having done asana one gets steadiness (firmness) of body and mind; diseaselessness and lightness (flexibility) of the limbs.
In der Hatha Yoga Pradipika von Swami Muktibodhananda wird der Bereich der Asanas (Körperhaltungen) gleich zu Beginn im 1. Kapitel behandelt. Jeder, der schon einmal auf der Matte stand, kennt dieses Gefühl von Anspannung und Astregung bei gleichzeitiger Fokussierung auf einen fließenden, tiefen Atem, der Leichtigkeit und Ruhe in Körper und Geist bringt.
Eure Erfahrungen während der Übungen erwecken Euren Körper zum Leben, weil sie jeden Winkel und jedes Versteck Eures Selbst erreichen. Man sagt: „Was man nicht benutzt, verliert man.“ Also benutzen wir alles, erschaffen einen Raum, um uns selbst zu spüren und zu erforschen. Der Körper regeneriert sich nicht von selbst, wir müssen ihn bearbeiten und schubsen, um ihn zurück zum Leben zu verleiten. Auf diese Weise lernen wir uns wirklich selbst kennen.
Durch das Üben von Asanas erlangen sowohl der Körper als auch der Geist Festigkeit und Stabilität, um den ständigen Ups and Downs des Alltags mit Gleichmut und heiterer Gelassenheit zu begegnen.
Denn wahres Yoga beginnt genau dort, wo die Dinge anfangen schwierig zu werden – im Leben und auf der Yogamatte.
Schon B.K.S. Iyengar, einer der Yogapioniere des westlichen Yoga, wusste, dass „regelmäßige Yogaübungen helfen, der Hektik des Alltags gelassen und standhaft entgegenzutreten.“ (B.K.S. Iyengar).
Eine Asana wird erst dann vollkommen, wenn die Anstrengung bei seiner Ausführung schwindet und wir fokussiert unseren Blick nach innen richten, um in eine bewegte Form der Meditation zu kommen. Denn eine Asana ist keine Haltung, die man statisch einnimmt, sondern vielmehr ein achtsamer Prozess, an dessen Ende ein Gleichgewicht zwischen Bewegung und Widerstand steht.
Auch im Yoga Sutra von Patanjali (Raja Yoga) gibt es einen klaren Hinweis zu der Thematik der Asanas: „Sthiram sukham āsanaṁ“. Eine Haltung soll demnach angenehm und fest sein. Patanjalis spirituelles Yoga Sutra gibt jedoch keine nähere Erläuterung zu konkreten Haltungen. Woher kommen dann die verschiedenen Positionen? Und warum üben wir dann nicht „einfach“ nur einen stabilen Sitz? – Berechtigte Fragen, aber habt ihr schon einmal probiert für eine längere Zeit aufrecht zu sitzen, ohne Ablenkungen, ohne Fernseher, Musik oder Internet im Hintergrund laufen zu haben? Falls ja, dann werdet ihr schnell merken, wie schwierig es für uns ist, einfach mal bei uns selbst zu sein. Ganz schnell meldet sich unser Monkey Mind zu Wort und lässt die Gedanken in unserem Kopf wild umherspringen. Wir haben es verlernt, in Stille nur mit uns selbst zu sein.
Patanjali definiert Yoga in seinem Yogasutra sogar als „Yogas Chitta Vritti Nirodha.“ – das zur-Ruhe-Bringen der Gedanken im Geist. Es muss also mehr dahinter stecken, als der reine Fitness Effekt der Asanas.
In der Pradipika hingegen bilden eine ganze Reihe verschiedener Asanas die essenzielle Basis für die Erforschung von Körper, Atem und Geist, die uns zu tiefen Erfahrungen über unser wahres Selbst führt.
Durch kontinuierliches und achtsames Üben der Körperhaltungen können sich Energiewege (Nadis) und Bewusstseinszentren (Chakras) öffnen. Der Energie (Prana), die für die Aufrechterhaltung aller individuellen zellularen Aktivitäten verantwortlich ist, ist es dann möglich, ungehindert durch unseren Körper zu fließen, uns von Giften zu befreien und Lebensenergie zu schenken. Die Gesundheit des ganzen Körpers wird erreicht und erhalten. Ganz nach dem Motto: Mens sana in corpore sano – ein gesunder Geist in einem gesunden Körper.
Die regelmäßige Praxis der Asanas erhöht jedoch nicht nur die Beweglichkeit, Grazilität und Stabilität des Körpers, um dem westlichen Schönheitsidealen näher zu kommen. Vielmehr trägt die Asanapraxis dazu bei, dass der Geist unter Kontrolle gebracht wird und wir uns nicht mehr von unseren Gedanken kontrollieren lassen. Geist und Körper sind keine unabhängigen Entitäten, sondern greifen tief ineinander.
Sprichwörter wie: „Tu deinem Leib etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen.“ verdeutlichen diesen psycho-somatischen Zusammenhang der grobstofflichen Form des Geistes (Körper) und feinstofflichen Form des Körpers (Geist).
Emotionaler Stress kann uns „wie ein Stein im Magen liegen“, denn psychische Belastungen üben einen gravierenden Einfluss auf unsere körpereigenen, physischen Funktionen aus.
Der erste Schritt diesem Teufelskreis zu entfliehen, ist der achtsame Umgang mit dem Körper und das beharrliche Üben der Asanas. Achtsamkeit ist das Schlüsselwort und meint das bewusste Beobachten der Körperbewegungen und der Empfindungen in diesem Moment, ohne zu bewerten einfach nur beobachten. Der innere Kritiker kommt zur Ruhe und Klarheit kann sich in uns ausbreiten. So paradox es klingt, aber die Aktivität der Asanas soll uns letztlich nur dahin führen die Aktivität loszulassen, Frieden mit uns selbst zu schließen und Ruhe im Geist trotz des ständigen Wandels im Außen zu bewahren.
Der Atem trägt die Asana und sollte stets ruhig fließen, sodass Prana (Energie) im stetigen Fluss ist und die Chakras (Energiezentren) sich öffnen.
Gedanken oder Gefühle, die während der Praxis aufsteigen?- Akzeptiert sie, nehmt sie wahr und dann lasst sie los.
Langfristig werden wir durch die Yoga-Asanas körperliche Beeinträchtigungen und Krankheiten lindern oder sogar verhindern, Verspannungen werden gelöst sowohl auf physischer als auch auf psychischer Ebene. Jedem mentalen Knoten, das können sein verdrängte Wut, Zorn oder Enttäuschungen, steht ein korrespondierender physischer, muskulärer Knoten in unserem Körper entgegen. Das heißt, dass wir durch die physische Praxis der Asanas, nicht nur unseren äußeren Körper stabilisieren und kräftgien sondern vor allem auch in tiefere, psychische Schichten unseres Daseins vordringen.
Beim Praktizieren der Asanas entwickeln wir Bewusstsein für unseren Körper, indem wir in unser Inneres hineinspüren und Innehalten. Denn Asanas sind Techniken, die unsere Achtsamkeit, Entspannung, Konzentration und Meditation fordern und fördern. Unser Prana (Lebensenergie) fließt frei durch die Nadis (Energiebahnen) und wenn unsere Energie frei fließen kann, fühlen wir etwas ganz Besonderes, dass sich Leichtigkeit nennt, bezogen auf Gewicht und Energie.
Körperliche Fitness, mag für viele der Ausgangspunkt sein, um tiefer in die Welt des Yoga einzusteigen. Das Hauptaugenmerk ist jedoch darauf gerichtet, mit sich selbst und der Welt in Einklang zu kommen und vollkommenes Gleichgewicht von Körper, Geist und Gedanken zu spüren. Yoga-Asanas formen sowohl Körper als auch Geist, die dem Sadhaka (Übenden) als Werkzeuge auf dem „yogischen“ Weg zu innerem Frieden und Glück dienen.
Durch die Kontrolle über unseren Körper, können wir den Geist und die Energien steuern, um Körper, Geist und Atem zu entdecken, zu beobachten und uns in bedingungsloser Akzeptanz zu üben.
Nicht die äußere Form ist entscheidend, sondern eure innere Haltung – eine Haltung, die frei ist von Bewertungen, Vergleichen und dem Streben nach Perfektion. Im Yoga geht es nicht darum, der/die Beste zu sein, sondern SEIN BESTES zu geben, aus dem Herzen heraus zu praktizieren und vom Denken zum Spüren zu gelangen.
Yoga ist ein ganzheitliches, vollkommenes System – ein Weg der Veränderung, der alle Ebenen des Seins einbezieht. Yoga, was so viel wie Einheit bedeutet, können wir nicht „praktizieren“, denn Yoga ist unser natürlicher Zustand, zu dem wir zurückkehren möchten. Die Asanas helfen uns auf diesem Weg von außen nach innen und lüften Schritt für Schritt den Schleier, der unser wahres „Ich“ verdeckt.
Ein gesunder Geist erfährt Selbsterkenntnis, Weisheit, tiefen, inneren Frieden und Einheit.
In der Yogapraxis müssen wir die alten Denkschemata von Konkurrenz und Vergleichen, von Nicht-Genügen, von Perfektionismus und Zwang ablegen und in uns hineinfühlen. Jede Praxis, die Selbstliebe und Einheit übt, ist Yoga. Egal, ob es sich dabei um eine Religion, Kunst, eine Erfahrung oder jegliche andere Form der Praxis handelt.
In einem Zustand des achtsamen Gewahrseins in Bezug auf unseren Körper und unseren Geist, werden wir die universelle Kraft des Yoga spüren.
Eine hingebungsvolle und aufmerksame Yogapraxis führt uns zu einem körperlichen Gefühl der Leichtigkeit. Haltungen, die vorher unmöglich erschienen, gelingen problemlos. Die Asanas werden stabil und leicht zugleich. Wir lernen uns aufzurichten, innerlich und äußerlich und nehmen diese erworbenen Haltungsmuster mit in den Alltag.
„Alle Anstrengungen werden Herausforderungen, die akzeptiert werden und Frieden und Harmonie erfüllen uns, unabhängig von äußeren Umständen.“ (Tsek Nayrb)
Auf der Matte üben wir das Leben, um den ständigen Herausforderungen und Anforderungen des Alltags mit Stabilität und innerer Ruhe zu begegnen, denn schon B.K.S. Iyengar wusste: „Der Körper ist dein Tempel. Halte ihn sauber und rein, damit deine Seele darin wohnen kann.“.
Lasse Dein inneres Licht scheinen, denn Dein Körper ist Ausdruck Deiner Selbst!
Wir danken Dir, Frederike für diesen Artikel, der uns immer daran erinnert, warum wir eigentlich praktizieren.
Namastè Euer Yogareich

Sunita Ehlers, ist Expertin für Achtsamkeit. Yogalehrerin (E-RYT/AYA) & Ausbilderin von Yoga Ausbildungen, Meditationsleiter:innen Ausbildungen & Meditationsleiter:innen Ausbildungen. Yoga & Lifestyle Bloggerin und Podcasterin (Mindful Minds, dein Podcast für ein entspanntes Leben)
Ich liebe das Schreiben ebenso wie das Unterrichten. Ich sehe es als Ausdruck dessen, was mir am Herzen liegt. Authentizität und liebevoller Umgang sind mir genauso wichtig, wie soziale Verantwortung.
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